Auf andere Gedanken kommen: warum es zunächst schwer wirken kann – und wie es wirklich einfach geht

Sie kennen das bestimmt: Da geht einem eine Sorge nicht mehr aus dem Kopf. Etwas dreht sich gedanklich im Kreis. Sie fragen sich zum Beispiel, wie Sie eine Situation verändern könnten.

Aber über einen Knackpunkt, an dem sich die Gedanken festgefahren zu haben scheinen, nicht hinaus.

Dann ist der Wunsch da: Auf andere, neue Gedanken kommen möchten Sie.

Wie kommt man auf andere Gedanken?

Gleich vorneweg: Kraftanstrengungen sind nicht das Mittel der Wahl, wenn man auf neue Gedanken kommen will. Es braucht einen klugen Umgang mit den Gedanken, damit sie mitspielen.

Auf andere Gedanken kommen Auf andere Gedanken kommen – welche Gedanken könnten das sein?

Aber was ist, wenn die alten Gedanken so stabil sind?

Gedanken können stabiler wirken als manches alte Gemäuer. Das können Sie sich so vorstellen: Wenn ein bestimmtes Denkmuster immer und immer wieder abläuft, dann entwickeln sich damit besonders stabile und nachhaltige neuronale Verbindungen im Gehirn.

Natürlich haben Sie keine Chance, gegen solche Verbindungen vorzugehen. Stellen Sie sich mal vor, wie es wäre, wenn Sie darin „erfolgreich“ wären, eine Sprache zu vergessen, die Sie früher gelernt haben.

Zum Glück sagt das Gehirn hier: Gelernt ist gelernt. Und damit hat sich die Sache.

Was Sie aber machen können, um auf neue Gedanken zu kommen: Sie können neben den bisherigen Gedanken neue entstehen lassen.

Gedanken sind schneller, als Sie denken können

Gedanken entstehen mindestens einen Millimoment, bevor sie bewusst gedacht, also bemerkt werden.

Der Wissenschaftler Benjamin Libet hat in Mind Time eindrucksvolle Beschreibungen dieses Phänomens vorgelegt.

Hinter und neben dem, was man gedanklich wie klare Worte und Sätze wahrnimmt, etwa „Ich sollte das Zimmer aufräumen“ oder „Wie kann ich meine Kinder dazu bringen, in der Schule mehr zu lernen?“ gibt es eine Vielzahl von Verknüpfungen (Assoziationen). Diese sind mit den Themen verbunden, auf die sich die Gedanken beziehen.

Die permanente Verfügbarkeit von Gedankenverbindungen ist zwar von unschätzbarem Wert, doch sie kann nachteilig wirken, so lange ungünstige Assoziationen einen geplanten Gedankenablauf (z. B. „Wie schaffe ich dieses Semester?“ stören.

Starke, beeindruckende Erfahrungen in einem Lebensbereich (positiv wie negativ) bilden stabile Netzwerke, aus denen wiederum stabile Gedanken entstehen. Eine Ansammlung von Gedanken, die in eine bestimmte Richtung gehen, kann zur Haltung werden. Etwa „Es ist schwer (oder unmöglich), diese Aufgabe zu bewältigen“ oder „Immer wieder passiert ausgerechnet mir dasselbe.“

Mit einer gedanklichen Kraftanstrengung werden Sie kaum auf neue Gedanken kommen.

Wie lässt sich die Arbeitsweise des Gehirns, Verbindungen herzustellen und Verbindungen zu den Verbindungen von Gedankenverbindungen?

Wie lässt sich dieses unermüdliche und unwillkürliche Verhäkeln von Gedanken (Zitat von Dr. Gunther Schmidt, Heidelberg) nutzen, wenn man auf neue Gedanken kommen möchte, und zwar ohne mentale oder sonstige Kraftanstrengung?

Wer an ein Ziel gekommen ist, war gedanklich vorher nicht nur einmal da, sondern eher mehrere Male, auch wenn nicht jeder „Besuch“ am Zielort bewusst geplant wurde. Die Feststellung „Ich bin am Ziel“ kann nur getroffen werden, wenn das Ziel als Ziel erkannt wird, und das setzt voraus, dass es vor dem Erreichen des Ziels ein Bild des Ziels gegeben hat.

Trivial? Wäre es trivial, dann würde man nicht auf andere Gedanken kommen wollen. Dann würden nicht so viele Menschen nach Rat suchen. Dann hätte man zu jeder Zeit schon die gewünschten Gedanken, die Lösungsschritte usw. parat.

Auf neue Gedanken kommen kann man, indem man den Gedanken zu denken beginnt: „Es ist einfach, auf neue Gedanken zu kommen.“ Ja, dann kann sich innerer Widerspruch regen, dann kann es von innen tönen „Stimmt nicht!“ oder „Lug und Trug, wir lassen uns nichts vormachen!“ oder „Haben wir schon immer so oder so erlebt!“ oder „Mir fällt eh nichts Neues ein!“ Das sind Redebeiträge der oben beschriebenen Haltung, die um ihre Rente fürchtet oder ihre Existenz an sich.

Auf neue Gedanken kommen kann man, indem man neue Formate ausprobiert, in denen das Denken in Gang gesetzt wird. So kam ich eines Tages auf das Gedankentaxi. Nachdem einer meiner Klienten genügend Hinweise darauf geliefert hatte, dass er gedanklich „zu Fuß“ nicht weiterkommen würde, weil ihm das als zu langwierig und zu beschwerlich erschien, schlug ich ihm vor, hilfsweise ein Gedankentaxi zu nehmen. Von da an ging es in der Sitzung für ihn rasch weiter. Die gedankliche Veränderung gelang offensichtlich mühelos – in einer Weise, als wäre es das Natürlichste auf der Welt, sich in sein Gedankentaxi zu setzen. Dieses Phänomen beobachte ich seitdem immer wieder. Wenn ich das Gedankentaxi ins Spiel bringe, beginnen die Prozesse zu fließen.

Die ersten Erfahrungen mit dem Gedankentaxi und wie man den Weg zum eigenen Gedankentaxi findet, habe ich in einem Buch mit dem gleichnamigen Titel zusammengefasst. Es ist hier als E-Book erhältlich.

Gedankentaxi | Johannes Faupel, Systemische Therapie (SG, IGST)
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